Das Videospiel zum 2005 erschienenen Kinospektakel „King Kong“ ist auch mehr als 17 Jahre nach seinem Erscheinen ein Musterbeispiel für ein gelungenes Game zum Film. Daran ändert auch ein spielerisch wie emotional verkorkstes Finale nichts.

Mit einem lauten Knall feuert die Pumpgun eine Ladung Schrot auf den anstürmenden V-Rex. Dann ist die Munition aufgebraucht. Einige Speere in der Umgebung können den Dinosaurier nur kurz aufhalten. Am Ende bleiben spitze Knochenstücke aus Tierkadavern in der Nähe, um sich gegen das Urzeitvieh zur Wehr zu setzen. Vielleicht bringen sie die entscheidenden Sekunden, bis Ann die hölzerne Tür zur Flucht öffnen kann.
Es sind unter anderem solche Momente, die das vom französischen Unternehmen Ubisoft entwickelte Spiel zum Kinofilm „King Kong“ aus dem Jahr 2005 auch Jahre später zu einem nervenaufreibenden Abenteuerausflug auf Konsole machen. Auf der fiktiven Insel „Skull Island“ versucht im Kino wie im Spiel ein Filmteam um den Drehbuchautor Jack Driscoll (Adrien Brody) und Regisseur Carl Denham (Jack Black) Begegnungen mit Dinosauriern und dem Riesenaffen Kong zu überleben, der die Schauspielerin Ann Darrow (Naomi Watts) entführt hat. Das ist meist wie eingangs beschrieben sehr stressig und gleichzeitig ungemein spannend. Als Jack Driscoll ist man vielen Inselbewohnern im Dschungel zunächst unterlegen. Ballerorgien als Ausweg sind in den als klassischer Ego-Shooter aufgezogenen Spielabschnitten ausgeschlossen, dafür reicht die Munition nicht. Stattdessen ist meist die Flucht in ein sicheres Versteck schlauer, um von dort die Umgebung auszukundschaften und mit geschickt platzierten Speerwürfen einige Kugeln zu sparen.
Überleben mit allen Spielmitteln
Das Spiel „King Kong“ ist nicht unbedingt schwer und auch keine ausgefeilte Überlebenssimulation, es kann sich aber gut als eine solche verkaufen. Keine Energieleiste, keine Minimap, und die vorhandene Munition kann nur per Knopfdruck als Dialog abgerufen werden: „King Kong“ setzt auf Reduktion und funktioniert gerade dadurch so zeitlos. Denn obwohl man bei Hinweisen für den Spieler gespart hat, wurde bei der Präsentation nicht gekleckert. Das stimmungsvolle Dschungelpanorama mit seinem durch die Baumwipfel brechenden Lichteffekten kann auch heute noch bei Konsoleros für anerkennendes Nicken sorgen. Das Spiel hat dem Zahn der Zeit selbst die Zähne gezeigt und sieht 2023 trotz altersbedingter Schwächen überraschend gut aus. Dazu kommt ein schrecklich schönes Sounddesign und die Schauspielerinnen und Schauspieler aus dem Film, die den Figuren auch im Spiel ihre Stimme leihen – und das nicht nur als Stand-Ins, sondern vollwertige Mitglieder der Abenteuertruppe.

Dabei ist „King Kong“ mit seinen 40 kurzweiligen Kapiteln keine eins zu eins Nacherzählung des Kinoerlebnisses. Überlebende des Films sterben im Spiel oder tauchen an anderer Stelle in der Handlung auf. Dennoch ist es den Spielentwicklern gelungen, bestimmte Filmsequenzen sehr nah an der Vorlage zu adaptieren und gleichzeitig spielerische Elemente sinnvoll einzubauen. Exemplarisch sei hier eine Verfolgungsszene mit einer Langhalsherde erwähnt, die im Film zu den actionreichsten Momenten gehört. Im Spiel gibt es diese Stelle ebenfalls, mit Langhälsen und allem drum und dran. Diesmal muss aber zusätzlich eine Geschicklichkeitsaufgabe erledigt werden, bei der man über verschiedene Stationen einen brennenden Speer zu einem entzündbaren Busch bringt – während man den Riesentretern der Dinos ausweicht.
Großes Affentheater
Dass diese „cinematic moments“ mit so viel Verve im Spiel gelandet sind, ist mit Sicherheit auch Regisseur Peter Jackson („Der Herr der Ringe“) zu verdanken. Der ist, wie man unter anderem durch das Spiel „Death Stranding“ von Hideo Kojima weiß, Videospielfan und setzte nicht nur seinen Namen vor den zugegebenermaßen viel zu langen Spieltitel „Peter Jackson’s King Kong: The Official Game of the Movie“, sondern beriet auch Ubisoft bei der Entwicklung.

Übrigens, der titelgebende Affe, der im Kino erstmals 1933 einen Auftritt hatte und das erste eigens fürs Kino entwickelte Ungeheuer war, kann natürlich auch gespielt werden. In ausgewählten Abschnitten kann man mit dem Riesenprimaten in einer Art Beat‘ em up meets „Prince of Persia“ Mash-up gegen Riesenechsen kämpfen, an Baumstämmen entlanghangeln und Rätsel mit NPC-Begleiterin Ann Darrow lösen, die wie im Film einen Großteil der Zeit mit dem Ungetüm unterwegs ist. Die Abschnitte machen Spaß, fallen gegenüber dem Überlebenskampf zwischen Mensch und Natur aber ab. Das rächt sich im Finale. Als Kong durch eine List der ungebetenen Inselgäste gegen Ende der Geschichte nach New York verschleppt und als neues Weltwunder präsentiert wird, erreicht der Film auf dem Dach des Empire State Buildings seinen emotionalen Höhepunkt: King Kong wird so lange von Flugzeugen beschossen, bis er vor den Augen seiner großen Liebe Ann in die Tiefe stürzt.
Auf der Konsole läuft der Spieler dagegen mit dem Affen minutenlang zwischen hässlichen Bauklotz-Wolkenkratzern hin und her und muss versuchen, sich zwischen wild wechselnden Kameraperspektiven zu orientieren. Es folgt eine inspirationslose Klettersequenz auf das Empire State Building und ein viel zu schneller Fall in den Tod. Heute reißt das keinen mehr vom Hocker und es ist kaum vorstellbar, dass es anno 2005 anders war. Schmerzlich wird klar, dass das Spiel die emotionale Tragweite seiner Vorlage nie erreicht hat. Muss es aber auch nicht unbedingt. „King Kong“ gilt bis heute als eines der besten sogenannten Movie Tie-In Games – also Spiele, die zum oder um den Release eines Kinofilms erscheinen. Und das zu Recht. Nicht, weil alle Spieler am Ende mit Taschentuch vor der Glotze sitzen, sondern weil das Abenteuer durch seine atmosphärische Verdichtung und cineastische Inszenierung Genrestandards gesetzt hat, die noch heute viele Spiele nicht erreichen.
Disclaimer: Für den Artikel wurde die Xbos 360-Version von „King Kong“ gespielt. Zwischen den verschiedenen Versionen für Konsole, PC und Handhelds wie Nintendo DS, Playstation Portable und Game Boy Advance gibt es teils gravierende Unterschiede bei Präsentation und Gameplay. Dementsprechend werden die verschiedenen Ableger auch unterschiedlich von Presse und Publikum rezipiert.